Reisebüros droht der Verlust der Kreditkartenakzeptanz
Lufthansa City Center (LCC) ist ein weiteres Mammutprojekt angegangen, das auf den stationären Vertrieb zukommt. Wer auch in Zukunft noch Kreditkarten als Zahlungsmittel akzeptiert, muss nämlich eine neue Zertifizierung vorlegen. Das wird von den großen Kreditkartenbetreibern verbindlich verlangt.
Ziel der Zertifizierung gemäß PCI DSS (Payment Card Industry Data Security Standard) ist es, den Missbrauch beim bargeldlosen Zahlungsverkehr einzudämmen. Insbesondere Reisebüros, die im Business Travel tätig sind, kommen nicht daran vorbei, sich auf sehr hohe Anforderungen vorzubereiten und bei einem Audit-Verfahren gleich Hunderte von Fragen zu beantworten.
„Viele Reisebüros haben die Bedeutung der Zertifizierung noch nicht erkannt und sehen nur Kosten und Aufwand“, mahnt Tina Roos, LCC Bereichsleiterin Front & Midoffice Technologie: „Wer aber bei der Zertifizierung nicht mitmacht, darf künftig auch bei Kreditkarten nicht mehr mitmachen. Ohne Compliance-Stempel dürfen zum Beispiel über das Midoffice keine Kreditkartentransaktionen mehr durchgeführt werden. In der Konsequenz bedeutet das ein Zurück zur Welt der Rechnungen und damit erhebliche Prozesserschwerungen. Das will sicher kein Reisebüro“.
Online-Formular mit 329 Fragen
Reisebüros, die in ihre Buchungsmasken nur Kreditkarten für Veranstalter eintragen, sind von den Regelungen nicht betroffen, solange die Kreditkarten an keiner weiteren Stelle gespeichert werden (zum Beispiel in einem CRM). Systemanbieter wie Amadeus müssen die Zertifizierung dann selbst vornehmen. Sobald im Namen des Reisebüros fakturiert wird – also mit dem Plastikkärtchen ein Serviceentgelt erhoben wird oder gar eigene Reiseprodukte verkauft werden – kommen die neuen Regeln zur Anwendung.
Kreditkartenterminal und Übertragungswege müssen dann unzähligen Anforderungen entsprechen. Für die Zertifizierung werden alle Anforderungen über einen Online-Fragebogen geprüft. 329 Fragen sind dafür vorgesehen. Durch Vorarbeiten und den Einsatz eines zentralen Midoffice-Systems ist es LCC bereits gelungen, dass nur noch 79 Fragen beantwortet werden müssen – von jedem LCC Reisebürounternehmer einzeln. Nutzer der LCC Cloud müssen sogar noch weniger Fragen beantworten.
Viele Hausaufgaben für die Büros
Für die Reisebüros hat LCC in Zusammenarbeit mit den Auditoren der usd AG eine 100 Seiten starke Ausfüllhilfe erstellt, aus der Schritt für Schritt hervorgeht, was zu tun ist. In dieser „PCI-Bibel“ wird detailliert erläutert, wie beispielsweise ein neuer Mitarbeiter eingeführt werden muss oder welche Anforderungen es an Passwörter gibt. Darüber hinaus gibt es eine Guideline, die auf Deutsch alle umzusetzenden Anforderungen beschreibt, bevor der Online-Fragekatalog überhaupt in Angriff genommen werden kann. Außerdem hat LCC Online-Trainings eingekauft, die jeder Reisebüromitarbeiter ab Oktober durchlaufen wird.
Bei der Umsetzung setzt LCC auf Best Practice Szenarien aus den eigenen Reihen und spielt derzeit das komplette Verfahren mit zwei Pilotbüros durch. „Trotz unserer Vorarbeit haben die Reisebüros noch einige Hausaufgaben zu erledigen, aber viele trauen sich an dieses schwer bekömmliche Thema nicht richtig heran“, weiß Roos.
Abschluss schon bis Ende des Jahres
Die Alternative ist allerdings, dass die Reisebürounternehmen die Kreditkartenakzeptanz oder ihre IATA-Nummer verlieren. „Der Firmendienst wäre dann definitiv tot und eine Partnerschaft mit LCC auch, weil unser Franchise-System zwingend eine IATA-Lizenz vorschreibt“, so Tina Roos. Damit das nicht passiert, will LCC den kompletten Prozess bis Ende des Jahres flächendeckend abgeschlossen haben.
Lufthansa City Center ist mit mehr als 650 Büros in etwa 90 Ländern und einem Gesamtumsatz von rund 6 Mrd. EUR das weltweit größte unabhängige Franchise-System im Reisebüromarkt. Etwa die Hälfte des Umsatzes wird im Geschäftsreiseverkehr erzielt. Zur Kette von inhabergeführten Reisebüros mittlerer Größe gehören allein in Deutschland 300 Büros mit über 2.500 Mitarbeitern. Weltweit beschäftigt das Reisebüronetzwerk etwa 5.600 Mitarbeiter. (red)