Christiane Tondolo, BTU: Corona als Einstieg zum Umstieg
Die Fakten – Übergabe der Geschäftsleitung – sind schnell dargestellt. Aber wie geht es einer Unternehmensgründerin, die ihr „Baby“ nach 27 Jahren in neue Hände legt?
Die Entscheidung hat sich Christiane Tondolo sicher nicht leicht gemacht. Lange hat die Powerfrau nach einer zukunftsfähigen Nachfolgelösung gesucht. Mit Dr. Georg Nader, der BTU Business Travel Unlimited seit etwas mehr als einem Jahr als Unternehmensberater begleitet hat, hat Tondolo eine Personalentscheidung getroffen, mit der sie sich ruhigen Gewissens aus dem operativen Bereich zurückziehen könne, erklärt sie in einem sehr persönlichen Gespräch mit tip.
Nachdem BTU 1999 eine strategische Partnerschaft mit der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich eingegangen ist, hält die Reisewelt, eine 100%ige Raiffeisen-Tochter, 74% an der BTU. Christiane Tondolo verfügt über 26%. BTU betreibt Niederlassungen in Wien, Linz, Graz, Salzburg und im Burgenland. Um auch den deutschen Markt lokal bedienen zu können, kooperiert BTU erfolgreich in Deutschland. In Vorarlberg ist BTU vor vier Jahren mit Herburger Reisen ein Joint Venture, mit Mehrheitsbeteiligung BTU, eingegangen. Die Reiserei, das Touristiksegment der BTU, mit Filialen in Wien, Salzburg, Linz und Graz, ist die logische Ergänzung zum Geschäftsreisen-Zweig und vor allem im individuellen Luxusreise-Segment tätig.
Fragen & Antworten
tip-online: Wie ist Ihnen zumute – nach Jubeln oder doch eher nach Wehmut?
Christiane Tondolo: Es geht mir sehr gut, danke. Klar werde ich mich in der ersten Zeit noch an den für mich sehr ungewohnten Tagesablauf gewöhnen müssen. Nach 46 Jahren mit viel zu langen Arbeitstagen, die mir aber wohlgemerkt immer sehr, sehr viel Freude bereitet haben, ist das Leben jetzt ein anderes. Aber in Zeiten wie diesen, mit Covid-19-Krise, Kurzarbeit und weniger an Tagesgeschäft, ist die Umstellung jetzt nicht ganz so extrem, wie sie hätte sein können. Ich hatte in den letzten Monaten schon sehr viel Zeit zum Nachdenken und auch dafür, meine Zeit nach BTU zu organisieren und wie kann es anders sein, habe ich jetzt schon sehr viele Pläne und Ideen.
tip-online: Warum gerade jetzt die Übergabe, mitten in der Krise?
Christiane Tondolo: Ich bin ganz froh, dass ich die Zukunft jetzt nicht mitgestalten muss. Das Partnerschaftliche, das unsere Branche ausgezeichnet hat und das ich so sehr geschätzt habe, ist schon vor einiger Zeit verloren gegangen. Es war ein Miteinander, ein Leben und Leben lassen. Jetzt bieten Start-ups und Direktverkaufsplattformen Ticketgebühren an, von denen wir nicht leben können. Auch wir arbeiten mit Transaktions-Fees und ehrlich gesagt, damit lassen sich die Kosten umgerechnet auf die aufgewendete Mitarbeiterzeit und notwendige technische Voraussetzungen nicht ansatzweise decken. Der Kunde von heute möchte immer mehr an Service, natürlich weiß er aber nicht, was dafür im Hintergrund geleistet wird. Die Lufthansa forciert seit fünf Jahren NDC, aber die Technik haben sie nie mitgeliefert. Das bleibt alles an uns hängen. Jetzt ist es an der Zeit, eine neue Generation heranzulassen. Dr. Nader kennt BTU seit fast eineinhalb Jahren als Unternehmensberater in allen Facetten. Ihm zur Seite steht ein starkes Team mit Michael Glück und Dr. Anja Meier. Corona war für mich der Einstieg zum Umstieg.
tip-online: Wie ist BTU bisher durch die Krise gekommen?
Christiane Tondolo: Es ist unglaublich, was wir, und insbesondere mein Team, in der Krise geleistet haben. Von März bis Oktober haben wir 13.900 Umbuchungen und 5.200 Stornos bearbeitet. Aktuell haben wir 130 MitarbeiterInnen in Kurzarbeit und auch wir haben – wie viele andere Unternehmen auch - die Vorteile einer Kombination aus Bürozeit und Teleworking erkannt. Auch wir gehen in Richtung Organisationskonzept „shared desk“ und werden dadurch künftig sicher weniger Bürofläche brauchen. Ein sehr guter Ansatz, um Kosten zu sparen, der zudem auch noch Sinn für das Unternehmen macht. Und wenn Sie mich so direkt fragen, natürlich wird BTU als österreichisches und florierendes Unternehmen diese Krise überleben. Auch, weil wir Share Holders haben, die an uns glauben und die genau wissen, es kommt auch wieder eine sehr erfolgreiche Zeit nach der Krise.
Wir müssen lernen, unsere Leistung besser zu verkaufen
tip-online: Was glauben Sie, wie lange wird es dauern, bis sich die Geschäftsreisebranche wieder erholt?
Christiane Tondolo: Ich habe mit Anfang November ein erfolgreiches Unternehmen übergeben, aber uns ist bewusst, die nächsten zwei bis drei Jahre werden keine einfachen. Wir werden künftig weniger Umsatz haben, weil weniger gereist wird, und mehr Europa-lastig. Wir rechnen mit einem Rückgang von mind. 30% bis 40% bei Geschäftsreisen. Das bedarf einer Umdenke. Travel Management ist ein Handwerk mit sehr viel Know-How, das wir unseren Kunden zur Verfügung stellen. Das ist unser Kapital und wir müssen lernen, unsere Leistung besser zu verkaufen.
tip-online: Was werden die wesentlichen Änderungen sein?
Christiane Tondolo: Mit Dr. Nader wird ein Quereinsteiger die Geschäftsleitung der BTU übernehmen, er kommt nicht aus der Branche und das ist auch gut so. Er wird vieles mit anderen Augen sehen, manches wofür wir vielleicht schon betriebsblind geworden sind. Ich stehe als Gesellschafterin und Fachfrau beratend zur Verfügung und wir dürfen nicht vergessen, ich übergebe ein sehr starkes Team an Dr. Nader. Es zeichnet doch einen guten Geschäftsführer aus, dass er die Menschen nach ihren Fähigkeiten einsetzt und als Unternehmensspitze sich um die übergeordneten Themen kümmert. Es wäre jetzt noch zu früh zu sagen, was sich konkret ändern wird. Ich darf Ihnen aber schon sagen, was sich nicht ändern wird - wir waren 27 Jahre lang konstant und ein verlässlicher Partner für unsere Kunden. Ich möchte, dass das auch bei meinem Nachfolger so sein wird. Ich wünsche mir, dass wir nächstes Jahr Schritt für Schritt die Krise hinter uns lassen und 2022 dort anschließen, wo wir vor Covid-19 waren.
tip-online: Zurück in die Vergangenheit: Was hat Sie bewegt zur Gründung von BTU?
Christiane Tondolo: Ich kann mich noch gut erinnern – ich war bei Alda beschäftigt und wir alle, meine KollegInnen und ich, waren nicht gar so zufrieden. Ich war immer jemand, der gerne in der ersten Reihe gestanden ist (lacht) und wurde von meinen Ex-KollegInnen in unserer damaligen beruflichen Unzufriedenheit fast zur „gemeinsamen“ Selbständigkeit gedrängt. Ich weiß noch, wie wir beim Griechen gesessen sind und ein Konzept geschrieben haben. Mit dem bin ich dann von Bank zu Bank gerannt, bis ich einen Kredit bekommen habe. Nach einem dreiviertel Jahr haben wir den Kredit nicht mehr gebraucht. 1994, nach nur einem Jahr, habe ich das Cosmopolitan-Büro gekauft, allein aus der strategischen Überlegung heraus, weil es eine IATA-Nummer hatte und wir bei BTU nicht, diese aber dringend brauchten. Ein kluger Schachzug war dann die Umwandlung in ein Lufthansa City Center, das bekannt war für seine tollen Marketing-Zuschüsse. Das war eine sehr spannende Zeit mit vielen Herausforderungen. 1999 sind wir dann eine strategische Partnerschaft mit der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich eingegangen. Ein Schritt, den ich bis heute nicht bereut habe.
Der Erfolg hat mich beflügelt.
tip-online: Vor 30 Jahren als Frau ein Unternehmen zu gründen war noch ungewöhnlicher als heute, oder?
Christiane Tondolo: Als Self-made-woman hab ich damals nicht links und nicht rechts geschaut. Ich bin einfach durchgegangen. Ich war so gerne Verkäuferin, dass ich sechs Kunden pro Tag besucht habe. Ich hatte ein gutes Konzept und gute Argumente. Wir waren immer am Kunden, das hat der Kunde geschätzt. Der Erfolg hat mich beflügelt. Ich gehe hin und höre zu. Bis dahin gab es am Markt ja nur CWT und American Express als Geschäftsreisebüros. Im Gegensatz zu den beiden waren wir ein rein österreichisches Unternehmen.
tip-online: Was waren die schwierigsten, was die schönsten Momente bei BTU?
Christiane Tondolo: Von 2003 bis 2007 hatten wir das Who is Who der Unternehmen in Österreich, auch internationale Firmen. Bis dann die Welle der Internationalisierung über uns hereinschwappte und die Firmenzentralen die Entscheidungen trafen. Trotz der großen Internationalisierung hat es die BTU aufgrund ihres hohen Service-Levels geschafft, nicht nur ihre Kunden zu halten, sondern sogar das Geschäft auszubauen. Wir mussten das schon ganz gut gemacht haben. Die schönsten Momente waren sicher unsere Feste. Ich kann mich auch an stolze Momente mit Dr. Anja Meier erinnern, wo wir an einem Tag zwei Konzerne gewonnen haben. Das haben wir dann im Büro mit Champagner gefeiert. Wir waren aber auch gemeinsam traurig. Für mich war das Miteinander immer das Wesentliche. Es waren viele, viele wunderschöne Momente, viele, viele stolze Momente und auch traurige Momente. Aber das Schwierigste in all den 27 Jahren ist mit Bestimmtheit Covid-19; wissen Sie, mitansehen zu müssen, dass man total machtlos ist. Jetzt halten wir im besten Fall bei 20% gegenüber dem Vorjahr. Ich sehe nicht, dass es so schnell eine Lösung geben wird. Das macht mich sehr traurig. Es ist auch eine psychische Belastung für die MitarbeiterInnen. Das ist die schrecklichste Zeit, die ich bisher erlebt habe. Das Fest zu unserem 25-jährigen Bestehen war für mich mein Abschiedsfest, mit dem russischen Botschafter, vielen Airlines und mehr als 400 Kunden.
Was zählt sind Mut und Zuversicht
tip-online: In der Touristik überwiegt der Frauenanteil bei weitem, aber nur ganz selten in den Führungsetagen – was raten Sie Frauen, die in dieser Branche an die Spitze wollen?
Christiane Tondolo: Ich habe damals vor 27 Jahren die BTU als Frau in einer Zeit gegründet, in der es eine Frauenquote, Gendern oder auch ein Me Too nicht gab. Was zählte, waren vor allem Kreativität, sich trauen anders zu sein, Ärmel hochkrempeln, das zu lieben was man tut und vor allem Mut und Zuversicht. Und dieser Mut und diese Zuversicht ist es, was ich Frauen rate. Mit Mut und Zuversicht ist alles möglich, ist alles schaffbar. Damals, mehr als heute, war es sicherlich auch eine Frage der Familienplanung, wenn man als Frau Unternehmerin werden wollte. Definitiv ist Mutter sein und ein Unternehmen zu führen ein Balance-Akt und ich bin der Meinung, dass es immer um Qualität und nicht um Quantität geht. Ich habe mit meiner Tochter vielleicht wenig Zeit verbracht, aber die Zeit, die wir gemeinsam hatten, haben wir genossen und in dieser Zeit gab es auch nur meine Tochter für mich. Unser Verhältnis heute ist ein inniges und darüber bin ich sehr, sehr glücklich.
tip-online: Was werden Sie mit all Ihrer Freizeit jetzt anfangen?
Christiane Tondolo: Ich hatte aufgrund Covid-19 schon in den letzten Wochen und Monaten sehr viel Zeit, darüber nachzudenken. Wenn du lange Arbeitstage gewohnt bist, wird ein einziges Hobby nicht ausreichen (lacht), es gibt vieles das mich immer schon interessiert hat, aber für das nie Zeit war – aber ich habe da keinen Stress, den hatte ich 46 Jahre - ich lass jetzt einmal alles auf mich zukommen. Und wer weiß, vielleicht setze ich mich nach der Covid-19-Krise einfach in einen Flieger und bleibe, wo es mir und wie lange es mir gefällt.
Das Gespräch führte Elo Resch-Pilcik
(red)